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No Need for a Relationship

Wehrte Leser, bitte gehen Sie in Deckung – meine gefürchteten Lebensweisheiten sind im Anmarsch: Wenn auch nur kurz angeschnitten, ging mein erstes Beziehungsjahr mit P einem schweren Ende entgegen. Mit einem ziemlich lauten Knall und unter massiver Belastung der involvierten Stimmbänder wurden dann alle Verbindungen gekappt und die Ruhe nach dem Sturm kehrte alsbald ein. Absolute Funkstille.

Die Situation dauerte keine vier Wochen. An einem verregneten Nachmittag erfolgte eine erste Annäherung, danach mehrere Abende, die redend auf meiner Couch verbracht wurden.

Die Erkenntnis der letzten Wochen hilft mir momentan allerdings noch nicht so recht weiter: Die gegenseitigen Gefühle, ja, die sind noch da – ebenso die Suche nach der Nähe des Anderen. Nur diesmal braucht es einen anderen Rahmen.

Oder besser gesagt: Gar keinen. Ich, als junger Erwachsener, gefangen in einer Umbruchsphase nach der anderen, möchte keinen starren Rahmen einer Beziehung. Am wenigstens allerdings braucht man mir mit Moral zu kommen. In dieser Hinsicht halte ich es ganz wie GB: What’s life without these little adventures? 

P’s engster Freundeskreis findet diese Vorstellung gerade obszön, da gelte ich vermutlich als ein ungehobelter Auswuchs der Spaßgesellschaft. Diese Sichtweise hat mich anfangs hart getroffen und die Beziehung mit P immer auf eine harte Probe gestellt.

Mittlerweile aber zeige ich dem ganzen die kalte Schulter. Hier geht es nicht um Moral und Pflichtbewusstsein, sondern um zwei Menschen, die trotz vieler Unterschiede möglicherweise doch zusammengehören. Lediglich im Hier und Jetzt. Alles weitere wird die Zukunft zeigen.

It’s all about decisions

Manchmal kommt man an einen Punkt, wo man beim gemeinsamen Frühstück an einem strahlenden Frühlingstag im Friedrichshain merkt, dass aus Liebe Freundschaft geworden ist. Die ehemalige Flamme ist mehr ein guter Kumpel, der Drive ist raus.

Dann kann man einen Gang hochschalten, sich nochmal voll reinwerfen, sämtliche Energien mobilisieren, um die alten Gefühle noch einmal hervorzuholen.

Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, da bremst man ab. Nickt die Beziehung innerlich ab – und geht gestärkt aus fast elf wunderbaren Monaten heraus. Man muss sich lediglich entscheiden – auch, um das Beste für einen selbst zu tun.

Entfremdung

Besonders aufmerksame Leser werden gemerkt haben, das ich mich nicht nur von meinem Blog entfremdet habe – Nein, irgendwo in meinem jungen Hochleistungsleben, zwischen 50 Stunden-Wochen und dem abendlichen Starbucks mit Freunden, hätte ich beinahe meinen Freund verloren. Und das in der Tat wortwörtlich. Weilt er doch seit einigen Wochen nicht mehr in der Hauptstadt, sondern in der brandenburgischen Pampa – bleiben also nur die erholsamen ruhigen Wochenenden.

Bevor ich den Karren ganz gegen die Wand gefahren habe, hat dann doch noch das Bremssystem funktioniert. Einmal Rückwärtsgang, nochmal einparken. Whole Again, please.

Der wenig aufregende Schlüssel: Kommunikation. Über neun Monate ist es jetzt her, das der wunderbarste Mann in mein Leben getreten ist – und trotz der kurzen Zeit kann man zu sehr in der Routine erstarren. Überzeugt, nicht mehr viel investieren zu müssen, einen Selbstläufer zu haben. Man kann sich anderen Sachen zuwenden, so das Credo.

Mein Stichpunktzettel ist im ersten Quartal übervoll gewesen: Fahrschule, neue Wohnung, neue Praktika, neuer Nebenjob, neue Erfahrungen. 5 Tage die Woche, die um 6 Uhr begannen, und wo selten vor 19 Uhr selten die Entspannung winkte. Und um 21:30 Uhr wurde dann das Licht ausgeknipst.

Und damit schließt sich ein langer Bogen: Ja, ich habe es aus dem Plattenbau-Ghetto geschafft. Ja, es ist ein schicker Altbau. Ja, es ist eine Szene-Gegend. 50m², vollgestellt mit Pseudo-Designermöbeln, Einbauküche, PAX-Schrank.

Und dennoch meine Katharsis, die Erkenntnis der letzten Tage: Wohlstand allein macht auch nicht glücklich(er).

Schuld?!

Ja, das ist hier die große Frage. Mein psychisches Fundament wurde heute von Konflikten mit der moralischen Integrität aufs Stärkste angegriffen. Zur Lösung bedarf es allerdings keinen Richterspruch, sondern die Reflektion des Schuldigen, die hiermit erfolgt.

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Schauplatz Berlin, Nachmittag, tiefstehende Herbstsonne, es erfolgten mehrere Zungenküsse mit dem Freund von P’s bestem Freund. Allein durch die lauter freundschaftlichen Verknüpfungen laufen wir uns häufig über den Weg, was die Sache nicht leichter macht. Schwerwiegender ist die Frage, ob ich dies tue, weil ich neugierig bin, jung, naiv und wortwörtlich heiß auf neue Erfahrungen bin – oder weil ich mich mit P nicht ausgelastet fühle.

Letzteres kann ich ganz klar verneinen – und wirkliche Anziehung bestand bei den erfolgten Zungenküssen auch nicht. Lediglich Triebbefriedigung, das Spiel mit dem vermeintlich Verbotenen. Die Befriedigung von Minderwertigkeitskomplexen, Selbstzweifeln – alles mögliche Gründe. Mannigfaltig schießen sie seit einigen Stunden durch meinen Kopf, die Telefonleitung zu meiner besten Freundin A muss förmlich geglüht haben von der Aufgabe, unglaubliche Mengen an Redeschwall in kürzester Zeit zu transportieren.

Kann ich dieses Ereignis nun unabhängig von meiner Beziehung mit P betrachten? Meiner Meinung nach ja. Denn ich fühle mich überraschend unschuldig. Es war kein Fehltritt, kein aus-dem-Nest-fallen, keine außerhäusliche Verirrung. Es war reine Selbstverwirklichung meiner Bedürfnisse. Sexuell und altersbedingt, aber nicht auf emotionaler Ebene.

Soviel zum Zwischenstand. Stay tuned.

Auf in neue Gefilde

Berlin-Mitte, Bahnhof Friedrichstraße, später Nachmittag: Die letzten Sonnenstrahlen erreichen die gediegenen Fassaden der vielgeschossigen Bürobauten, am Boden wirbeln die ersten Laubansammlungen umher, die Menschen drängen entweder aus ihren Büros zum Bahnhof oder als Touristen in die entgegengesetzte Richtung, zu Dussmann oder dem Lafayette. Nach einem anstrengenden Arbeitstag gehe ich an den auf Hochglanz polierten Schaufenstern vorbei, doch für einmal ziehen der neue Boss-Store, Armani oder COS nicht meine Aufmerksamkeit auf sich.

Das Stimmengewirr ist ungeheuer laut, die Autokolonnen rollen im zähen Schritttempo voran, die Mercedes S-Klassen hupen besonders laut. An meinem Kopf geht diese Geräuschkulisse vorbei. Ich fühle mich nicht mehr so, wie ich dieses Blog zum Ende des Sommers verlassen habe. „Heading forward“ denke ich, und tippe an jenem Abend diese Zeile als Anstoß eines neuen Posts in das WordPress-System.

Dennoch hat es die Überschrift nicht zur Veröffentlichung geschafft. Der englische Term verkörpert aus deutscher Perspektive zwar eine gewisse Eleganz und vorgeschobene Eloquenz – aber Authentizität? Ein Wechsel, wieder die Friedrichstraße, Kreuzung Unter den Linden. Der Ort wird mittlerweile von einem Gebäudeensemble dominiert, das die findigen Projektentwickler aus München „Upper Eastside Berlin“ tauften. Für mehrere hundert Millionen Euro wird mit teurem  Sandstein geprotzt, die Modeketten eröffneten allesamt überdurchschnittliche Dependancen. Das Prunkstück sind die Arkaden, zwei Geschosse hoch, auch um 24 Uhr taghell erleuchtet: Hier ruft die Weltstadt.

Doch der schöne Schein bleibt Illusion: Viel Büroraum steht leer, die Luxuswohnungen ebenso. Die Schaufenster sind nett anzuschauen, aber ein Fall von optischem Fastfood: Schnell satt gesehen. Mit der „Upper Eastside“ verhält es sich wie mit diesem Blog: Die Artikel blenden mit griffigen englischen Floskeln, aber der Inhalt verschwindet hinter der Stilisierung der Wirklichkeit.

Die Unterzeile riet „Langeweile? Spice up your life!“, die Suchmaschine warb mit „Big-City-Search“, aus jeder Pore tropfte das Anglophile – weniger aber wegen dem Hang dazu, als vielmehr wegen einer Anbiederung an den „Mainstream“. Damit habe ich zwischen mir und den Lesern selbst eine zusätzliche gläserne Decke installiert, die das Geschehen so wirken lässt, als würde es über einen entfernten Bekannten erzählen.

Am Bahnhof Friedrichstraße angekommen, war mir klar, dass die einzige Überlebensmöglichkeit für dieses Blog eine Neuausrichtung sein würde. Klar war auch, dass kein „Relaunch 3.0“ in Frage kommen würde. Als ich auf dem Bahnsteig in ordentlicher Reihe mit den anderen wartenden Menschen stand, auf dem Weg nach Hause, fühlte ich trotzdem eine undefinierbare Aufbruchstimmung, wie auf dem Weg in neue Gefilde eben.